11. Jun 2024
Die sogenannte Wegzugssteuer betrifft Privatpersonen im Inland, die innerhalb der letzten 12 Jahre mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren, ins Ausland verziehen und bei Wegzug zu mindestens 1% an Kapitalgesellschaften beteiligt sind. Im Rahmen des Wegzugs aus Deutschland fingiert der Gesetzgeber den Verkauf der Beteiligung und einen fiktiven Veräußerungsgewinn, das heißt ohne tatsächlichen Verkauf, wird der Anteil der Besteuerung unterworfen. Der Gesetzgeber beabsichtigt hiermit, das Umgehen einer inländischen Besteuerung durch Wegzug ins Ausland zu vermeiden.
Auf Grundlage des zwischen den EU/EWR-Staaten geschlossenen Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), war die Wegzugssteuer bis Ende 2021 bei Umzug eines inländischen Steuerpflichtigen in einen EU/EWR-Staat kraft Gesetzes zwar festzusetzen, bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung allerdings auch dauerhaft und zinslos zu stunden. Eine Zahlung musste durch den Steuerpflichtigen also nicht geleistet werden. Bei einem Umzug in die Schweiz war in gleichartigen Fällen eine derartige dauerhafte und zinslose Stundung nicht vorgesehen. Die festgesetzte Steuer konnte jedoch in 5 Jahresraten beglichen werden.
Zum 01.01.2022 wurden die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung verschärft. Sowohl bei Wegzug in EU/EWR-Staaten als auch die Schweiz, ist die durch Wegzug ausgelöste Steuer auf nun 7 Jahresraten verteilt zu entrichten. Eine Stundung, dauerhaft und/oder zinslos, ist in keinem Fall mehr möglich.
Mit Urteil vom 6. September 2023 entschied nun jedoch der BFH, dass eine Wegzugssteuer bei Umzug in die Schweiz zwar festgesetzt werden darf, die Steuer jedoch wiederum dauerhaft und zinslos zu stunden sei. Der BFH schließt sich hiermit dem Wächtler-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.02.2019 an, welches sich in einem sogenannten Alt-Fall gegen eine Stundung der Wegzugssteuer auf 5 Jahre ausgesprochen hatte. Eine bei Wegzug festgesetzte Steuer könne nicht ohne Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und das mit der Schweiz geschlossene Freizügigkeitsabkommen eingefordert werden, weshalb eine dauerhafte und zinslose Stundung für die Dauer des Wegzugs bzw. bis zur tatsächlichen Veräußerung der vorhandenen Unternehmensanteile zu gewähren sei.
Das Urteil des BFH bringt Unsicherheit in die aktuelle Rechtslage. Es scheint, dass die derzeitige Regelung, die die Wegzugssteuer auf 7 Jahre verteilt, genauso gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt wie die frühere Regelung mit einer Verteilung auf 5 Jahre. Für Umzüge in EU/EWR-Staaten müsste daher auch eine dauerhafte und zinslose Stundung der Steuer gewährt werden, da Art. 49 AEUV die Beschränkung der freien Niederlassung verbietet.
Da das Urteil des BFH jedoch nur einen Einzelfall betrifft, bleibt unklar, wie die Finanzbehörden künftig Wegzugsfälle behandeln werden. Daher ist eine individuelle Prüfung vor einem Wegzug aus Deutschland weiterhin notwendig, um steuerliche Fallstricke zu vermeiden.
Gerne unterstützen wir Sie sowohl digital als auch persönlich in Fragen rund um das internationale Steuerrecht – sprechen Sie uns einfach an.