Unternehmensnachfolge: Neue Spielregeln  bei der Erbschaftsteuer

22. Mai 2017

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 17.12.2014 das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht aufgrund der großzügigen Begünstigungen für Unternehmenserben für verfassungswidrig erklärt hat, wurde nach langwierigen Verhandlungen am 14.10.2016 ein Kompromiss zwischen den Regierungsparteien erzielt. Wie so oft, steckt der Teufel im Detail!

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht bemängelte die zu großzügigen Verschonungsmöglichkeiten der Unternehmensnachfolger und -erben und stellte höhere Anforderungen an die Voraussetzungen um den Unternehmensnachfolgern eine Begünstigung zu gewähren. Aus der Presse war zu entnehmen, dass das bisher geltende Recht bei kleinen und mittelständischen Betrieben nahezu unverändert fortgelten wird. Doch dies ist mitnichten so, wie wir Ihnen an einem Beispiel aus unserer täglichen Praxis aufzeigen wollen.

Verschonung nicht mehr für das ganze Betriebsvermögen: Wegfall des „Alles-oder-Nichts-Prinzips“

Im Grundsatz bleibt es bei dem Konzept der Verschonung mittels eines sog. „Verschonungs-abschlags“ auf den Unternehmenswert. Bei der sog. „Regelverschonung“ erhält der Unternehmenserbe oder –nachfolger unter gewissen
Bedingungen einen Abschlag von 85  % auf das begünstigungsfähige Betriebsvermögen, bei der sog.  „Optionsverschonung“ sind die Anforderungen noch höher, dafür werden 100  % begünstigt.

Die Verschonung trat bisher auf den gesamten Unternehmenswert ein („Alles-oder-Nichts“), wenn das Unternehmen nicht zu mehr als 50% (bzw. bei der Optionsverschonung 10%) aus sog. „Verwaltungsvermögen“ bestand.

Unter das Verwaltungsvermögen fallen insbesondere vermietete Grundstücke, Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von nicht mehr als 25%, Wertpapiere sowie Edelmetalle.

Die Neuregelung sieht die Begünstigung des Verwaltungsvermögens grundsätzlich nicht mehr vor und teilt den Unternehmenswert somit in begünstigungsfähiges und nicht begünstigungsfähiges Betriebsvermögen auf. Das bisher begünstigte Verwaltungsvermögen fällt durch den Wegfall des „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ unter das nicht begünstigte Betriebsvermögen. Es kann nur noch ein Pauschalabzug von 10% auf das Verwaltungsvermögen geltend gemacht werden. Eine weitere Verschärfung stellt die Reduzierung des sog. „Finanzmitteltests“ dar. Bisher sah der Gesetzgeber Finanzmittel (Geld, Zahlungsmittel und Forderungen nach Abzug von Schulden) im Wert von bis zu 20% des Unternehmenswerts als betriebsnotwendig und somit als steuerfrei an. Diese Grenze wurde nun auf 15% gesenkt, sodass darüber hinausgehende Finanzmittel in das grundsätzlich nicht mehr begünstigte Verwaltungsvermögen fließen. Insbesondere Betriebe mit Liquiditätsreserven werden hierdurch schlechter gestellt.

Neues Verschonungskonzept für Übertragungen von Unternehmensanteilen über 26 Mio. EUR

Das neue Verschonungskonzept sieht rückwirkend auf den 1.7.2016 eine erwerbsbezogene Obergrenze von 26 Mio. EUR vor. Oberhalb dieser Grenze erhalten Unternehmensvermögen nur noch bedingt eine Steuererleichterung. Bis zur Grenze von 26 Mio. EUR können wie bisher - jedoch unter wesentlich verschärften Bedingungen - die oben beschriebenen Verschonungen in Anspruch genommen werden.

Neu: Lohnsummenkontrolle auch für Betriebe unter 20 Mitarbeiter!

Voraussetzung für die Anwendung der Regelverschonung (85  %iger Abschlag) ist weiterhin die Einhaltung einer Lohnsummengrenze über einen Zeitraum von 5 Jahren nach der Unternehmensübergabe. Bisher galt diese Kontrolle nur für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern. Im neuen Recht gilt diese – in der Praxis aufwändige Prüfung – bereits für Kleinbetriebe mit mehr als fünf Beschäftigten.

Voraussetzung für die Anwendung der steuerlich günstigeren Optionsverschonung (100  %iger Abschlag) ist die Einhaltung einer Lohnsummengrenze über einen verschärften Zeitraum von 7 Jahren nach der Unternehmensübergabe. Um den Abschlag in Anspruch zu nehmen muss bei einer Mitarbeiterzahl von mehr als 15 Beschäftigten ab dem 1.7.2016 durchschnittlich 100% der Lohnsumme weiterbezahlt werden. Zusätzliche Voraussetzung für die Optionsverschonung ist eine maximale Verwaltungsvermögensquote von 20%.

Die folgende Grafik stellt die Neuregelung der Regelverschonung dar:

Neuregelung der Regelverschonung
Neuregelung der Regelverschonung

Gefahr: Nachversteuerung in Krisensituationen:

Kann die Mitarbeiterzahl über den jeweiligen Zeitraum (5 oder 7 Jahre) nicht gehalten werden, so fällt die Begünstigung rückwirkend anteilig weg. Es kommt zur Nachversteuerung. In der Regel tritt diese Nachversteuerung in Krisensituationen ein. Deshalb ist gut abzuwägen, ob man tatsächlich die 7-jährige Bindung der Optionsverschonung eingehen will.

Neuregelung der Bewertung im „vereinfachten Ertragswertverfahren“

Für die Ermittlung des Unternehmenswertes legt die Finanzverwaltung ein eigenes Unternehmensbewertungsverfahren zugrunde. Dabei wird – stark vereinfacht dargestellt – der Durchschnittsgewinn der vergangenen drei Wirtschaftsjahre herangezogen und mit einem sog. „Kapitalisierungsfaktor“ multipliziert. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase wurde dieser nun rückwirkend zum 1.1.2016 von rund 17,85% auf 13,75% herabgesetzt.

Dieses Bewertungsverfahren führt jedoch in der Praxis regelmäßig zu deutlich überhöhten und nicht marktüblichen Bewertungsansätzen. Alternativ erlaubt die Finanzverwaltung die Vorlage von Unternehmensbewertungsgutachten. In der Praxis gilt es hier die Kosten des Gutachtens gegen das Steuerrisiko aus der oben dargestellten Nachversteuerung abzuwägen.

Steuererleichterungen für Familienunternehmen: In der Praxis nicht kalkulierbar

Um die Unternehmensnachfolge angeblich zu erleichtern wurde auf Drängen der CSU eine zusätzliche angebliche „Erleichterung“ für Familienunternehmen gewährt. Diese sollen unter sehr strengen Voraussetzungen einen steuer-
freien Abschlag in Höhe von bis zu 30% auf den Unternehmenswert erhalten. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass die Gesellschaftsverträge hinsichtlich Abfindungs-, Entnahme- und Ausschüttungsklauseln 20 Jahre nach und 2 Jahre vor dem Übergabezeitpunkt nicht geändert werden dürfen. Hier müssen wir feststellen, dass diese Voraussetzung praxisfern und ein Zeitraum von 22 Jahren in einem mittelständischen Betrieb nicht überschaubar ist. Der Wettbewerbsvorteil eines mittelständischen Unternehmens liegt in der Regel in seiner Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Diese würde vollständig verloren gehen, wenn sich der Betrieb 22 Jahre lang an ein festes Korsett binden müsste.

Persönliche Freibeträge: Mittel zur Gestaltung und Steuerplanung

Von der Reform nicht betroffen waren die persönlichen Freibeträge im Rahmen einer Erbschaftsteuer. Diese Freibeträge können alle 10 Jahre neu in Anspruch genommen werden. Durch die deutlich verschärfte Erbschaftsteuerbelastung bei Unternehmensnachfolgen wird die Steuer-planung hinsichtlich der optimalen Nutzung dieser Freibeträge ein umso wichtigeres Gestaltungsmittel.


Wert des Vermögens abzüglich Freibetrag von:

Steuerklasse I:


Ehegatten, Lebenspartner

500.000 €

Kinder,...

400.000 €

Enkel,...

200.000 €

Eltern

100.000 €

Steuerklasse II:


Geschwister,...

20.000 €

Steuerklasse III:


alle übrigen Erben

20.000 €

Beispiele – Auswirkung der Reform

Um die Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform darzustellen, möchten wir diese – jeweils stark vereinfacht - an einem Beispiel einer mittelständischen Handwerks-GmbH vor und nach der Reform mit Zahlen aus der Praxis darstellen.

Der Handwerksmeister überträgt seinen Betrieb zum 30.6.2016 – altes Recht – an seinen Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Betrieb unterhält ein an dritte überlassenes Grundstück, das nicht mehr vom Betrieb selbst benötigt wird, sowie ein Wertpapierdepot. Hierbei wird die Regelverschonung mit einem Abschlag von 85% gewählt.

Vor der Reform zum 30.06.2016

Nach der Reform zum 1.7.2016

Durch das bis zum 30.6.2016 geltende „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ kann der Betrieb steuerfrei auf den Sohn übergehen.

Das ausführliche Berechnungsbeispiel
finden Sie in Tabelle 1.


Nach der Reform zum 1.7.2016

Nach der Reform zum 1.7.2016

Der Handwerksmeister schenkt im zweiten Beispiel seinen Betrieb zum 1.7.2016 – neues Recht – an seinen Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Hierbei wird auch die Regelverschonung mit einem Abschlag von 85% gewählt. Nach der Reform deckt der Freibetrag das steuerpflichtige Vermögen nicht mehr ab und es entsteht aus dem steuerpflichtigen Erwerb von 255.250 € eine Erbschaftsteuerbelastung von 28.077 €.

Das ausführliche Berechnungsbeispiel
finden Sie in Tabelle 2.

Tabelle 1: Vor der Reform zum 30.06.2016




Unternehmenswert (ca. 180T€ Gewinn x 13,75)



2.500.000 €

Verwaltungsvermögen bspw.:
An Dritte überlassenes Grundstück



200.000 €


+ Wertpapierdepot


100.000 €


+ Forderungen L+L - Verb. L+L

375.000 €



+ Bankbestand

300.000 €



Zw Summe

675.000 €



20 % des Unternehmenswertes an Finanzmittel begünstigt

500.000 €



Überschießender Betrag Finanzmittel


175.000 €


= Summe Verwaltungsvermögen


475.000 €


Verwaltungsvermögen < 50 %, somit wird "alles" begünstigt








./. Verschonungsabschlag (85 %)



- 2.125.000 €

./. Abzugsbetrag



- 37.500 €

= Wert der Bereicherung



337.500 €





./. Persönlicher Freibetrag (Vater auf Sohn)



- 400.00 €

= Steuerpflichtiger Erwerb



0

Tabelle 2: Nach der Reform zum 1.7.2016




Unternehmenswert (bereinigtes Ergebnis x 13,75)



2.500.000 €

Verwaltungsvermögen bspw.:
An Dritte überlassenes Grundstück



200.000 €


+ Wertpapierdepot


100.000 €


+ Forderungen L+L - Verb. L+L

375.000 €



+ Bankbestand

300.000 €



Zw Summe

675.000 €



15 % des Unternehmenswertes an Finanzmittel begünstigt

375.000 €



Überschießender Betrag Finanzmittel


300.000 €


= Summe Verwaltungsvermögen


600.000 €

-600.000 €

= Um Verwaltungsvermögen gekürzter Unternehmenswert


 

1.900.000 €

+ 10 % "Schmutzgrenze" unschädliches VerwW.


 

+ 190.000 €

= Begünstigtes Nettovermögen


 

2.090.000 €





./. Verschonungsabschlag (85 %)



- 1.776.500 €

= Steuerpflichtiges begünstigtes Nettovermögen (15%)



313.500 €





+ Steuerpflichtiges nicht begünstigtes Nettovermögen
(Rest Verwaltungsvermögen 600T€ - 190T€)



+ 410.000 €

./. Abzugsbetrag



- 68.250 €

= Steuerpflichtiges betriebliches Vermögen



655.250 €





./. Persönlicher Freibetrag (Vater auf Sohn)



- 400.00 €

= Steuerpflichtiger Erwerb



255.250 €

 




Steuersatz 11 % x 255.250 €




= Erbschaftssteuerbelastung



28.077 €

Gestaltungsberatung: frühzeitige Vorbereitung dringend geboten

Oberstes Ziel im Rahmen der Steuergestaltung der Nachfolge muss in Zukunft sein, begünstigtes Vermögen zu schaffen und nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen zu vermeiden. Das erfordert eine komplexe Steuerplanung auf den verschiedenen Ebenen, die aufgrund der sich ständig wandelnden Parameter in viel kürzeren zeitlichen Abständen überprüft, nachjustiert und nachgehalten werden muss.

Mögliche Verfassungswidrigkeit

Ob der neue Gesetzeswortlaut des Erbschaftsteuergesetzes einer erneuten Überprüfung durch das BVerfG aus Karlsruhe standhält ist sehr umstritten. Zahl-reiche verfassungsrechtliche und europarechtliche Zweifel bestehen am Inhalt der Neuregelungen wie auch bei den rückwirkenden Anwendungen des Bewertungsgesetzes zum 1.1.2016 sowie
dem Erbschaftsteuergesetz zum 1.7.2016. Die Steuerbescheide müssen deshalb im Wege des Rechtsbehelfs offen gehalten werden, um von einem wiederholten Sturz dieser Reform durch Karlsruhe profitieren zu können. Denn: Nach der Reform ist vor der Reform. Wir bleiben für Sie am Ball und informieren auf unserer Website über die aktuellen Entwicklungen.

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