GoBD & Verfahrensdokumentation – Neue Druckmittel der Finanzverwaltung?

13. Nov 2019

Bei immer mehr Betriebsprüfungen muss die Verfahrensdokumentation vorgelegt werden. Wir beleuchten die sich daraus ergebenden Anforderungen für die betriebliche Praxis der Unternehmen.

Info-Veranstaltung am 04.12.

Umfassende Detail-informationen rund um diese Themen erhalten Sie in der zugehörigen Info-Veranstaltung am 4.12.2019 um 15 Uhr in unserer Kanzlei in Lahr. Anmeldung bitte unter 07821 9183-0.

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 11.7.2019 ihre Auffassung zu den GoBD neu gefasst und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Kurz darauf, am 18.7.2019 wurde das 42-seitige Schreiben wieder wegen weiterem Abstimmungsbedarf von der Website des Bundesfinanzministeriums entfernt.

Die kurzzeitig veröffentlichte Neufassung des Schreibens basiert weitgehend auf dem Schreiben aus dem Jahr 2014 und enthält unter anderem neue Regelungen für die folgenden Bereiche:

  • Datenhaltung in Cloud-Systemen
  • Scannen von Belegen mittels Smartphone
  • Regelungen zur Umwandlung von Dateiformaten

Wir stellen Ihnen nachfolgend die in der Praxis mittlerweile regelmäßig von der Betriebsprüfung geforderte Verfahrensdokumentation sowie die aus unserer Sicht wesentlichen Praxisprobleme der GoBD vor.

Was ist Sinn und Zweck einer Verfahrensdokumentation?

Die Verfahrensdokumentation soll einem sog. sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick über die internen Abläufe, die Unternehmensstruktur sowie die eingesetzte Software des jeweiligen Betriebes verschaffen. Die Dokumentation dient als Nachweis, dass die gesetzlichen Vorgaben der Abgabenordnung und des Handelsgesetzbuchs umgesetzt und angewendet werden.

Wie sieht solch eine Verfahrensdokumentation aus?

Die Dokumentation soll im Kern folgende Bestandteile enthalten:

  • Eine allgemeine Beschreibung der Prozesse und Abläufe des Unternehmens (vom Auftragseingang bis zum Zahlungseingang)
  • Eine Anwenderdokumentation
  • Eine technische Systemdokumentation
  • Eine Betriebsdokumentation

Für deren Erstellung existieren mittlerweile von verschiedenen Verbänden und Kammern entwickelte 40 bis 50-seitige Vorlagen.

Verfahrensdokumentation: Keine Ausnahme für kleine Unternehmen.

Unverändert geht das Finanzministerium in der kurzzeitig veröffentlichten Neufassung des Schreibens zu den GoBD auch für kleine Unternehmen von der Pflicht zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation aus. Ob es in Zukunft größenabhängige Erleichterungen geben wird ist derzeit nicht bekannt.
Allerdings lässt die Finanzverwaltung nach wie vor eine – vielfach unbekannte – Hintertür offen: Denn soweit die Buchhaltung insgesamt nachvollziehbar und nachprüfbar ist, sieht selbst die Verwaltung in ihrem neu gefassten Schreiben in dem Fehlen einer Verfahrensdokumentation keinen formellen Mangel der Buchführung, der die Betriebsprüfung berechtigt, die Buchführung des Unternehmens zu verwerfen.
Dessen ungeachtet wird in vielen Unternehmen – um etwaigen Risiken einer Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen zu begegnen – eine Dokumentation angefertigt. In der Praxis kann die Vorhaltung der Dokumentation dem Finanzamt in der Betriebsprüfung in vielen Fällen „den Wind aus den Segeln nehmen“. Denn häufig wird die fehlende Dokumentation von der Betriebsprüfung als Druckmittel eingesetzt um in anderen Punkten (z.B. Warenbestand, PKW-Nutzung etc.) der Auffassung der Betriebsprüfung nachzugeben.

Daher muss immer im Einzelfall abgewogen werden, ob sich der Aufwand für die Erstellung solch einer Dokumentation am Ende lohnt.

Verfahrensdokumentation für Kassensysteme: Kassenaufsteller rechtzeitig mit ins Boot nehmen.

Für Betriebe mit elektronischen Kassen gilt: Wer Kassensysteme nutzt, ist verpflichtet, eine separate Verfahrensdokumentation für das Kassensystem anzufertigen. Dies wurde bereits durch erste Finanzgerichts-Urteile bestätigt. Ohne die Unterstützung des Kassenaufstellers gelingt dies in der Praxis nicht. Oftmals wird auch nur der Kassenaufsteller die verpflichtenden Einrichtungs- und Programmierprotokolle sowie die Bedienungsanleitungen liefern können.

Aus unserer Erfahrung werden diese Verfahrensdokumentationen bei jeder Betriebsprüfung angefordert, wenn der Betrieb über eine elektronische Kasse verfügt. Im Gegensatz zur oben beschriebenen allgemeinen Verfahrensdokumentation führt das Fehlen der Dokumentation für das Kassensystem in vielen Fällen zu empfindlichen Hinzuschätzungen (ca. 10 % Umsatzzuschätzung pro Jahr).

Belegersetzendes Scannen: Potential der Digitalisierung nutzen – aber niemals ohne Verfahrensdokumentation!

Unseres Erachtens liegt der Mehrwert für viele Unternehmen in der Digitalisierung der Geschäftsprozesse, d.h. in der Automatisierung. Wir unterstützen seit vielen Jahren unsere Mandanten auf dem Weg zum möglichst belegarmen bzw. beleglosen Büro. Bei vielen Unternehmen ergeben sich enorme Effizienzgewinne. Ziel vieler Unternehmen ist mittlerweile die vollständige Vernichtung von Papierbelegen direkt nach dem Digitalisieren des Belegguts.

Der Schritt zur Belegvernichtung ist auch unserer Auffassung nach an die Erstellung und ständige Aktualisierung einer Verfahrensdokumentation gebunden. Die Bundes-Steuerberaterkammer hat mittlerweile in Ergänzung der o.g. allgemeinen Verfahrensdokumentation eine separate Muster-Dokumentation zur „Beleg-Digitalisierung“ entwickelt. Bei der Umsetzung solch eines Digitalisierungsprojekts hat sich aus unserer Praxis die frühzeitige Planung und Abstimmung aller Parteien (Unternehmer / EDV-Dienstleister / Dokumentenmanagement-Anbieter / Steuerberater) bewährt.

Neben der reinen Vorhaltung der Verfahrensdokumentation sehen wir in der Praxis folgende zwei Bereiche, die insbesondere bei kleineren Unternehmen noch nicht GoBD-konform umgesetzt wurden:

GoBD Praxisproblem 1: Nutzung von Office-Anwendungen ohne zusätzliche Voraussetzungen.

Die GoBD verlangen nach wie vor eine Unveränderbarkeit der elektronisch erzeugten Unterlagen. Probleme können sich hier insbesondere beim Einsatz der in Unternehmen weit verbreiteten Office-Anwendungen ergeben. Werden die damit erzeugten Dokumente (Word, Excel, Power-Point etc.) lediglich in einem gewöhnlichen Dateimanager gespeichert, lässt sich eine Unveränderbarkeit aufgrund mangelnder Versionierungs- bzw. Historisierungsmöglichkeit systembedingt in der Praxis nicht erreichen.

Zwar bieten Dokumentenmanagementsysteme (DMS) diese Möglichkeit. Doch verfügen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in den wenigsten Fällen über solche Systeme. Den Unternehmen die Implementierung eines solchen Systems abzuverlangen, um eine Revisionssicherheit i.S.d. GoBD zu erreichen, wird von vielen Verbänden kritisiert. Momentan beharrt die Finanzverwaltung jedoch auf diesem Standpunkt. Ob dies durch die Finanzgerichte in einigen Jahren anders gesehen wird bleibt abzuwarten.

GoBD Praxisproblem 2: E-Mail-Archivierung

Im heutigen Geschäftsverkehr ist die E-Mail nicht mehr wegzudenken. Die E-Mail ist in der Funktion eines sog. „Handels- und Geschäftsbriefs“ oder als Buchungsbeleg in elektronischer Form als elektronisches Dokument aufzubewahren. Dient eine E-Mail nur als „Transportmittel“, z. B. für eine angehängte elektronische Rechnung, und enthält darüber hinaus keine weitergehenden aufbewahrungspflichtigen Informationen, so ist diese nicht aufbewahrungspflichtig (wie der bisherige Papierbriefumschlag).

Die aufbewahrungspflichtigen Dokumente sind mit einem nachvollziehbaren und eindeutigen Index zu versehen. Der Erhalt der Verknüpfung zwischen Index und elektronischem Dokument muss während der gesamten Aufbewahrungsfrist gewährleistet sein. Aus unserer Erfahrung ist diese Anforderung nicht mit einem reinen E-Mail-Programm wie bspw. Outlook und einem zugehörigen Mailserver wie dem „Exchange-Server“ zu erfüllen. Vielmehr müssen zusätzliche Programme installiert werden, um diese Anforderung zu erfüllen. Hier haben sich in der Praxis verschiedene Hersteller etabliert, die auch für kleinere Unternehmen mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand zu installieren sind.

In der Praxis empfehlen wir auch, eine klare Trennung zwischen geschäftlichen und privaten E-Mail-Konten. Es muss jedem Unternehmer heutzutage klar sein, dass die Finanzverwaltung im Rahmen der Betriebsprüfung auch die betrieblichen E-Mail-Konten einsehen und auswerten darf. Das Bewusstsein zu schärfen kann helfen, hier eine gewisse „Hygiene“ im E-Mail-Verkehr zu bewahren.

Gerne unterstützen wir Sie auf dem Weg in eine „GoBD-konforme“ Zukunft. Egal ob mit oder ohne digitalisierten Belegen.
Wir stehen unseren Mandanten sowohl mit eigenem Know-how als auch unter Einbeziehung unserer EDV-Spezialisten bei der Umsetzung zur Seite.

GoBD und Verfahrensdokumentation

Lesen Sie auch unseren Artikel zu unserem Vortrag am "Tag der IT".

Für was steht GoBD?

GoBD steht für „Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“.

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